Der Alltag ist hart
und doch voller Lebensfreude
Tabora, Tansania
Freiwilligenarbeit auf der St. Anna-Mission
vom 19. Januar bis 13. März 2014
von Lisbeth Wicki
Zehn St. Anna-Schwestern leisten einen beeindruckenden Einsatz für Menschen in Not. Es sind aber auch Begegnungen ausserhalb der Mission, die Tansania so bunt und persönlich machen.
Dieses satte Grün - durchzogen von den rot-braunen, sandigen Landstrassen! Schon beim ersten Anblick verliebe ich mich in Tansania. Der herzliche Empfang durch die Schwestern am kleinen Flughafen in Tabora gibt mir erst recht dieses gute Gefühl: Ostafrika heisst mich willkommen – „Karibu!“.
Von Mitte Januar bis Mitte März lebe ich auf der Mission von zehn St. Anna-Schwestern (siehe Kasten). Als Volontärin (mit Laboranten-Ausbildung) bekomme ich Gelegenheit, im Spitallabor, bei den Kindern sowie in Haus und Garten mitzuwirken.
Reich an Gemüse, Getreide und Früchten
Weit weg von jeglichem Tourismus leben die Menschen in Tabora, in Zentral-Tansania, vorwiegend von der Landwirtschaft. Oft in sehr bescheidenen und armen Verhältnissen. Überall werden Mais, Bohnen, Erdnüsse, Reis und vieles mehr angepflanzt sowie Kühe gehalten.
Auch die Mission ist ein kleiner Landwirtschaftsbetrieb, mit Hühnern, Kaninchen, Hunden, Ziege, Schaf und Katze sowie vielen Anpflanzungen.
Täglich kommt frisches Gemüse auf den Tisch, meist als köstliches Curry zubereitet und serviert mit Reis, Chapati (Fladenbrot) oder Ugali. Ich komme aber auch in den Genuss von tropischen Früchten aller Art, wie Mangos und Papayas.
Von Dezember bis März ist Regenzeit in Tabora, vergleichbar mit einem schönen Sommer in der Schweiz. Die Vegetation gedeiht. Später im Jahr wird die Trockenheit alles braun dörren.
Gesundheitsversorgung für alle
Wegen der aktuellen Feuchtigkeit hat es sehr viele Mücken, welche die Malaria übertragen können. So herrscht im Ambulatorium des Missionsspitals zurzeit viel Betrieb. An manchen Tagen kommen bis zu 100 Patienten zur Blutentnahme. Neben Malaria wird oft auch auf Blutarmut, Salmonellen, Aids, Wurmeier oder Schwangerschaft getestet.
„Die Labordiagnostik wird auf ein Minimum reduziert“, erklärt Sr. Shiny (Doktor) im Gespräch. Es sei wichtig, dass sich die Menschen auch noch die Medikamente oder eine Operation leisten könnten. Im Gesundheitszentrum der St. Anna-Schwestern sind alle Patienten willkommen, armen Leuten wird weniger verrechnet. Der Andrang ist entsprechend gross. Manchmal sind einige der 43 Spitalbetten gar doppelt belegt. Das bedeutet viel Arbeit für die 50 Angestellten.
„Die grosse Herausforderung im Gesundheitszentrum besteht darin, qualifiziertes Personal zu finden und behalten zu können“, erklärt Sr. Litty (Oberin und Anästhesie-Schwester). Die Mission fördert die Ausbildung des Personals, kann aber nicht ganz so gute Anstellungsbedingungen bieten wie das öffentliche Spital in Tabora.
Fürs Alter und die Jugend
Den Weg zur Mission nehmen jeden zweiten Samstag auch rund 60 betagte, mittellose Frauen und Männer auf sich. Sie werden hier gratis mit Grundnahrungsmitteln versorgt, und das will niemand von ihnen verpassen. Ob brennende Sonne oder ein heftiges Gewitter: Schon Stunden vorher kommen die ersten daher, um im Gras sitzend geduldig auszuharren. Es sind insgesamt zehn Kilogramm Mehl, Zucker, Bohnen, Öl und Tee welche schliesslich meist auf dem Kopf nach Hause getragen werden.
Im Weiteren werden 45 Kinder nach der Schule im Missionszentrum verpflegt, betreut, unterrichtet und im Garten-Anbau geschult. Sie haben einen oder beide Elternteile wegen Aids verloren und leben oft bei den Grosseltern oder Verwandten. Trotz schwierigster Lebensumstände, Terezia, Oliva, Filimon und Co. bringen Ausgelassenheit und Lachen auf die Mission.
Gemeinschaft trägt
Die St. Anna-Schwestern leben einen anstrengenden Arbeitsalltag für Menschen in Not. Sie managen ein Unternehmen, welches eine strikte Personalführung verlangt. Daneben schaffen sich die Schwestern aber auch Raum für ihr Leben in der Gemeinschaft und fürs Gebet.
In der Schwesterngemeinschaft ist eine grosse Verbundenheit spürbar. Es wird offen diskutiert, über belastende Alltagssituationen gesprochen aber auch herzhaft gelacht, ganz besonders beim abendlichen Abwaschen.
"Tunakimbilia"
Herzhaft präsentiert sich Afrika auch ausserhalb der Mission, etwa bei den bis zu zweistündigen Sonntagsgottesdiensten. Bei Sonnenaufgang strömen aus den vielen Feldwegen die Menschen herbei. Eingehüllt in bunten Tüchern oder herausgeputzt in europäischer Kleidung und oft in feinstem Schuhwerk kommen sie zu Fuss oder per Velo. Ein Auto können sich nur ganz Wenige leisten.
In der prallgefüllten Pfarrkirche herrscht Feststimmung, der Kirchenchor singt mitreissend und tanzt. Obwohl ich die einheimische Sprache „Kisuaheli“ nicht verstehe wird spürbar, wie Pfarrer Father Eduard humorvoll die Menschen erreicht. Mich berührt ganz besonders das Marienlied „Tunakimbilia“, welches den Schutz der Mutter Gottes erbittet. Und diesen wünsche ich allen Menschen, denen ich hier in Tabora begegnet bin.
Neues Spital zum 25-Jahr-Jubiläum
Die St. Anna-Schwestern mit Mutterhaus in Luzern und langjähriger Missionsarbeit in Indien haben 1990 auch in Ostafrika ihre Tätigkeit aufgenommen. Hier wirken insgesamt 48 Schwestern an zwölf Standorten in Tansania und Kenia.
Zehn Schwestern führen in Tabora, Tansania, ein Gesundheitszentrum, ein Kinderzentrum und ein Hilfsprogramm für alte Menschen. Sie bieten zudem Nähkurse an und fahren in abgelegene Dörfer für die Mutter-Kind-Betreuung und für Impfungen. Die Leitung hat Sr. Litty inne. Auf der Mission leben auch sechs junge Nachwuchs-Schwestern in Ausbildung. Fünf Personen arbeiten für die Gemeinschaft.
Derzeit bauen die St. Anna-Schwestern in Tabora ein neues Spital mit 100 Betten und Kosten von 2.5 Millionen Franken. Die verschiedenen Spitalbereiche werden in getrennten, ein- bis zweistöckigen Gebäuden untergebracht.
Die Bauten werden von einem Generalunternehmen erstellt. Täglich sind 50 bis 60 Arbeitskräfte auf der Baustelle, viele von ihnen wohnen auch gleich hier. Alles ist Handarbeit, die Betonblöcke werden vor Ort hergestellt.
Die Fertigstellung ist für Juni 2015 geplant. Dann feiern die St. Anna-Schwestern ihre 25-jährige Afrika-Mission.